Gedankensequenzen zu meiner Arbeit
Mein Medium ist die Raku-Brandtechnik. (Raku steht für Zufriedenheit, Glück und Stille.) Ich verbinde verschiedene Materialien, Keramik und Metall, die Grundlegendes gemein haben: ihre Entstehung durch Feuer und bewusste Gestaltung des Künstlers. Meine Arbeiten widerspiegeln das Leben, seine Poesie und Einheit im Dreiklang von Geburt, Leben und Tod:
Da ist zu Beginn die Vision, die Sehnsucht.
Da ist die Kenntnis des notwendigen Schaffensweges.
Da ist das zielgerichtete Formen und Lenken.
Da ist das Wissen um Zufall und andere äußere, nur schwer beeinflussbare Faktoren,
die den Weg des Schaffens nicht geradlinig sein lassen.
Da sind Erfolg und Rückschlag.
Da sind Freude, Trauer, Wut, Neugier und Stolz.
Da ist letztlich das fertige Produkt in meinen Händen; individuell und klar in seiner Symbolik.
Da ist ein Abbild des Lebens in meinen Händen, aus mir und von mir entstanden.
Mich fasziniert die Vielfältigkeit des Mediums „Objektt“; die Auseinandersetzung mit Formproblemen, Volumen und der Beziehung des Objekts zum Raum. Das Gestalten ist für mich nicht nur schöpferisch und inhaltlich eine Diskussionsform, sondern zugleich auch eine Auseinandersetzung mit meiner persönlichen Entwicklung und kulturellen Befindlichkeit auf ästhetisch aussagender Ebene.
Meine Objekte sind Abstrahierungen meiner Lebens- und Naturerfahrungen, der Erlebnisse und Formenwelt, entdeckt in der eigenen Umgebung. Es sind subjektive Empfindungen von Ereignissen, Gegenständen oder Personen eingearbeitet in die Objekte, als Hinweis auf den Optimismus des Werdens und Wachsens. Ich nutze die Metamorphose des Gegenstandes, wenn sich Leben, Mythologie und Objektkunst beim konzeptionellen Gestalten verbinden. So entsteht ein Dialog von Begrenzung und Dynamik, von Regeln und Widerspruch – Energiefelder die vielleicht positiv auf den Betrachter wirken.
Es gibt kein festes Wertemuster in meinen Arbeiten. Wenn ich von „Objekten“ spreche, so stellt dieser Begriff die Überwindung traditionell vorgegebener inhaltlicher und ästhetischer Formdarstellung dar. Es ist mir ein Bedürfnis, die Menschen mit meiner Arbeit zu berühren und manchmal auch provokativ anzuregen. Meine Kunst ist meine Sprache.
Ich arbeite mit einem grobkörnigen Ton, mit erhöhtem Schamottgehalt, um mehr Struktur, Plastizität und Tiefe als Ausdrucksmittel nutzen zu können. Meine Priorität in der Farbgebung liegt bei einem variantenreichen Schwarz in Kombination mit Raku und Schmiedearbeiten. Klarheit, die Reduzierung auf das Wesentliche, ist mein Leitfaden. Das Resultat dieser ungeschminkten, unbeschönigten Klarheit ist Beweggrund für die Farbwahl in meiner Arbeit.
Schwarz. Dies steht nicht für Düsternis, sondern für einen Teil des Lebens im Wechselspiel mit Weiß.
Die Zuwendung zur Wichtigkeit der Objektoberfläche (Raku, Ton, Metalle) verstehe ich ebenso als Ausdruck subjektiven Körpergefühls. Bei meinen Objekten ermöglicht die Oberfläche, die gerissen, geschunden, gewellt ist, zwei Möglichkeiten der Interpretation: zum einen jene Hülle zu sein, die die tiefer liegenden Schichten abdeckt oder zum anderen die Schutzschicht zu sein, die von einer inneren Kraft getrieben, aufbricht, um Verborgenes freizulegen. Das Aufdecken, Enthüllen, Abdecken und Verbergen sind die Mechanismen, mit denen der Mensch seit je her seine individuelle Selbstfindung vornimmt. Ich bevorzuge den Vergleich der Objektoberfläche mit einer Haut, da die Haut sowohl das Organ einer vielschichtigen Wahrnehmung ist, als auch die Hülle, an der Lebensspuren sichtbar und ablesbar werden.
Auf die Größe und Beschaffenheit der Craquelé kann ich in gewissem Umfang Einfluss nehmen. Das Verfahren lässt sich einge-schränkt steuern. Das erfordert Erfahrung, Gefühl für das Verhalten der Werkstoffe und handwerkliches Geschick. In meinen Arbeiten ist mir das gezielte Einsetzen der Risse für planvolle Kontraste und Akzente wichtig. Mit der gezielten Konzentration oder Auflösung des Craqueles schaffe ich, gemäß dem Objektthema, Zonen der Ruhe oder Aufregung. Durch diesen gesteuerten Zufall ist jedes Objekt ein unverwechselbares Einzelstück.
Dem Volumen und der Größe der Objekte sind material- und verfahrenstechnisch bedingt Grenzen gesetzt, die mich experimentell herausfordern. Meine Arbeiten überzeugen durch Kraft, Größe, Klarheit und zugleich Eleganz und Verletzlichkeit; mein Thema: der Dialog Mann/Frau. Geben und nehmen, eines nichts ohne das andere; Symbiosen in Farbe, Form und Materialien.
Der langsame Entstehungsprozess schafft Zeit, intuitive Ideen und Empfindungen in das Objekt ergänzend einfließen zu lassen. Die Objekte mit ihrer starken Anziehungskraft, die sprichwörtlich durchs Feuer gingen, sollen auf den Betrachter wirken. Zudem ist das – durchaus gewünschte – Berühren der Objekte mit ihrer granitähnlichen Oberfläche, den Metallarbeiten und dem groben Ton ist eine sinnliche Erfahrung. Die Kraft- und Stärkeempfindung der Kunst kann nicht diktiert, nur aufgenommen oder empfunden werden. Das beherrschende Element ist die Assoziation, das Verschmelzen der Objektaussage mit den bereits erlebten oder den gedachten Phantasien des Betrachtenden.
Glück ist, in schöpferischer Arbeit sich verströmen, im Einklang mit der inneren Veranlagung leben.
Zenta Maurina (lettische Schriftstellerin, 1897 – 1987)